Musikhistorie

😜

Gedanken zum Eurovision Song Contest
(Der Text stammt ursprünglich aus dem Jahr 2009, war "Aufreger der Woche" und wurde 2021 überarbeitet)
 

Was soll die Aufregung um unser diesjähriges Abschneiden beim Eurovision Song Contest (ESC)? Statt der Burlesque-Künstlerin Dita von Teese als tanzenden Blickfang hätte man vielleicht eher ihren Ex-Mann Marilyn Manson verpflichten sollen. Nicht zum strippen – nein – zum singen. Das hätte wenigstens ein paar Mut-, Schrill- und Trostpunkte aus der europäischen Rock- und Metalszene eingebracht.
Hat ja schließlich 1998 bei Guildo Horn, dem bürgerlichen Namensvetter unseres geschätzten [damaligen] Bundespräsidenten (beider Name ist Horst Köhler) auch geklappt. Also nicht missverstehen: Zumindest die oben genannte "mutig und ausgeflippt"-Schiene hätte funktionieren können, nicht ein vermeintlicher Auftritt des Bundespräsis.
Schließlich durfte man Dita von Teeses Wespentaille und des Sängers (Oscar Loya) silberne Discokugel-Glitzerhose bewundern, während jemand am Klavier saß. Am Ende wurde es der 20. Platz für Deutschland.

Wer sich nun aber genauer mit dem Kerl am Klavier und damit dem Macher des diesjährigen deutschen Beitrages etwas befasst hat, wird geahnt haben, dass das nichts werden kann. Denn die üblichen Musikgebilde dieses Mannes namens Alex Christensen sind meist eher im DJ Ötzi-Ballermann-Fetenhits-Niveau oder sogar noch kurz darunter angesiedelt.
Zur Erinnerung: Aus seiner Feder stammt U96 - "Das Boot", eine gerade noch erträgliche Techno-Verwurstung der Klaus Doldinger-Melodie aus der gleichnamigen Fernsehserie. Genauso entspringt Herrn Christensens ...ähm... Genius ein Song der Casting-Legende Bro´Sis, die Balade „blessed“ für Fady Maalouf (DSDS-Zweiter in 2008) sowie Ende 2007 der Peinlichkeits-Kracher von Yass - "Du hast den schönsten Arsch der Welt“.

Welches Volk der Erde solcher Musik zu einer Top Ten-Platzierung verhilft, hat nichts besseres verdient. Zumal Herr Christensen noch im März 2009, also zwei Monate vor dem ESC, in einer deutschen Talkshow diesem Hit oder seiner Musik im Allgemeinen allen Ernstes einen tieferen Sinn einreden wollte. Uns und wahrscheinlich auch sich selbst, so genau war das alles nicht zu erkennen.
Ja, wer's hören mag – bitte sehr – gern. Zu Hause, unter Kopfhörern und in Reichweite des medizinisch geschulten Fachpersonals. Aber so was muss nicht unbedingt beim ESC laufen, nichtmal dort.

Und da belächelt man seit Jahren Ralph Siegel, unser Urgestein des Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie der ESC vorher hieß. Es hat ja schon fast etwas Tragisches, wie er fast Sisyphos-gleich seinen vermeintlichen Hit-Felsen den Berg des europäischen Musik-Olymps raufrollt, um, fast oben angekommen, dann von den Ostblockstaaten einen Tritt zu bekommen, runter kullert und es im nächsten Jahr stoisch wieder versucht.
Es hat einmal funktioniert (1982 mit Nicole - "Ein bisschen Frieden"), damit ist er erfolgreicher als besagter Sisyphos. Warum es also nicht noch mal probieren? Insgesamt wirkte Siegel 25 Mal beim ESC mit.
Solange er nicht seine Tochter Giulia Siegel – die, wie sich kürzlich [auch im Jahr 2009] in einem anderen TV-Format herausstellte, in zwíschen-menschlichen Angelegenheiten sehr kantige, also quasi dreieckige, Umgangsformen zeigt – für diese Bergetappe ins Rennen schickt und ihr dann musikalische Leichtlaufeigenschaften unterstellt, ist doch alles gut.

Bevor ich nun gänzlich abschweife, lenken wir unseren Blick lieber schnell auf das Maskottchen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 samt seiner musikalischen Begleitung. Man erinnere sich bitte an diesen hosenlosen Goleo und den dazugehörigen aus millionenteuren Tonstudios stammenden grottenschlechten WM-Song "Love Generation".
Etwas weltläufiges Flair kann zu so einem Ereignis nicht schaden, aber was man hier klangtechnisch zusammengeschustert hat, ist schlichtweg Grütze. Es ist der krampfhafte Versuch eines bunten Multikulti-Mixes aus Ethno, Beat, Pop, es jedem recht machen wollen, der dadurch aber jede Identifikation mit dem Herkunftsland preiszugeben bereit ist.

Gut, es muss natürlich nicht deutscher Schlager oder bayrische Blasmusik sein. Aber dieser international wirkend wollende Brei ist unter seinem cross gebackenen Kreativitätsdeckmantel im Wortsinne wirklich geschmacklos, weil er am Ende wie ein liebloser Eintopf aus allen erdenklichen musikalischen Stilrichtungen zusammengequirlt wurde. Bitte unter ständigem Rühren alles in den Ausguss kippen.

Vielleicht tritt nächstes Mal der drittletzte DSDS-Recall-Teilnehmer zum Trost dort auf, das Instrumentalsolo auf der Blockflöte übernehmen Mario Basler oder Roger Willemsen (inzwischen leider verstorben), und in einem von Johann Lafer kreierten Spinatkostüm sing Verona Feldbusch (nun Pooth) im Background das Rezept für Krustenbraten ihrer Großmutter väterlicherseits auf hebräisch. Schräg? Auf jeden Fall.

Vorschlag Nr. 2, und der ist wirklich ernst gemeint: Modern Talking... also die blonde Hälfte davon. Dazu nehmen wir diesmal, sorry Thomas A., unseren ebenfalls blonden, aber ansehnlichen und gesangsbegabten Sibirien-Import namens Helene Fischer. Ohne Schnörkel und Häme. Das Geld, um beide zu einer Zusammenarbeit zu bewegen, wird sich auftreiben lassen, zur Not aus GEZ-Gebühren. Die Punkte des Ostblocks sind uns sicher, denn der eine ist dort wahnsinnig beliebt, sie hingegen ermöglicht ein Indentifikationsgefühl als "eine von uns". Und den Rest, die Musik, naja, das kriegt der Dieter schon hin. Es wird ein todsicherer Sieg.

Und sollte jemand diese Idee stehlen und wahr werden lassen, kann ich hiermit meine Urheberschaft belegen. 😬