Zeitgeschehen

Millennials
 

Sie tragen vielfach Vollbart und Tunnel in den Ohrläppchen, das Haupthaar kurz und gestylt, Brust und Hintern wahrscheinlich gewaxt. Die Weiblichen tragen nur sehr selten Bart, dafür sind sie gern in Retro-Klamotten und mit exakt waagerechtem Pony und großen Nerd-Brillen unterwegs, während sie ihren Chai-Latte mit Sojamilch und Stevia trinken. Abends gibt’s dann Craft-Bier oder einen Hugo mit Blüten-Eiswürfeln, während man passiv seine Tattoos zeigt. „Stößchen“.

Die Rede ist von diesen Hipstern und Millennials, also jenen in den 80ern und 90er Jahren Geborenen.

Sie sind gut ausgebildet und reden häufig sogar kluge Sachen, mit eingestreuten Begriffen wie Attitude, Swag, Workflow und Spirit. Sie sind gern auch so „emoschinell“ – angefasst und ergriffen, aber künstlich, ganz genau.

Sie sind privilegiert, optimiert und reflektiert – denn sie wollen permanent gut sein, in Allem. Sie sondieren, taktieren, improvisieren – sie leben in Optionen, um sich nicht festlegen zu müssen. Und sie konsumieren.

Apple und Ikea, Starbucks und Subway, Netflix und Facebook, Alexa, Siri und Datenschutz, Jeff Bezos und Kim Kardashian, Globuli und der DAX (als geronnene Macht des Marktes) sind bei ihnen keine Widersprüche.

Aber vor allem wollen sie nicht anecken, nicht negativ auffallen, es jedem Recht machen. Sie hören Nirvana und lesen Rilke, aber sie wissen nicht warum! Manche kiffen sogar.

Sie sind politisch aktiv: Ein bisschen Öko, eine Portion Moral, kosmopolitisch und dennoch herkunfts-elitär, ein bisschen konservativ und ganz doll humanistisch. Zumindest glauben sie das. Beim ersten Streit um den Kita-Platz in der Großstadt verrutscht das eigene Weltbild zuweilen.

Sie sind Hauptdarsteller in ihrem intellektuell karamellisierten Film des Lebens. Aber innerlich sind sie erschreckend leer, angestrengt und leicht ängstlich.

Weil sie nahezu widerstandslos überall hingelangt sind: Durchs Abi, während des Sabbaticals nach Burma oder Kambodscha, an den gut bezahlten jedoch sinnlosen Job – dank Vitamin B; oder sie wurden einfach von Mutti kutschiert.

Die größte Herausforderung war das Finden der richtigen Freundin bzw. des Freundes. Später wird dem Bekanntenkreis dann im Beisein des Partners ausführlich erklärt, warum das so schwer war: Man sei schließlich sapiosexuell.

Nicht nur die Einrichtungsgegenstände ihrer Hipster-Wohnung sind einzig nach dem Gesichtspunkt ausgewählt, wie andere das wohl finden, auch die eigene Persönlichkeit wird derart gestaltet. Die Außenwirkung und erwartete Rückmeldung ist dank sozialer Medien elementarer Bestandteil des Seins.

In puncto Selbstvermarktung sind sie quasi CEO in eigener Sache, immer darauf bedacht, dass der andere auch den Like-Button betätigt. Und über allem schwebt wie das Schwert des Damokles das Bedürfnis, ein Selfie mit dem eigenen Ego zu machen. Für Instagram.

In ihrem Auftreten und ihrem inneren Kosmos wirkt alles so repräsentativ drapiert, so durchdesignt – ein bisschen wie Helene Fischer mit Milchschaum.

Man nennt sie auch die Generation Y, wobei das Y dann als englisches „why“ ausgesprochen wird. Damit soll sie als hinterfragende, sinnsuchende Gruppe charakterisiert werden. Vielleicht kommt das Warum aber auch von außerhalb und findet in ihnen nur einen wunderbaren Resonanzkörper.

In der nächsten Folge: Die Generation D (oder De-Generation).